Die Betonglasfenster

Die Betonglasfenster in St. Michael

Sakrale Glasfenster hatten ihre Blüte im 13. Jahrhundert vor  allem in den französischen Kathedralen. Durch die Skelettbauweise  der Gotik wurden die Wände aufgelöst und es entstanden große  Fensterflächen. Bleiruten bildeten die Konturen geometrischer Gliederungen und biblischen "Figuren der mosaikartig  zusammengesetzten Glasfenster.

Glasfensterkünstler "malen" mit Licht. Man nennt sie darum Glasmaler. Die Farben werden von außen beleuchtet und entfalten im Innenraum mit weichen Farbflecken mystisches Licht auf Wänden, Boden und Bänken - besonders schön natürlich ohne Innenbeleuchtung. Mit einer Reproduktion auf  Papier ist diese Wirkung nicht wiederzugeben!

Für die Farbgestaltung wurden vorwiegend die Primärfarben  gleichbedeutend mit Symbolfarben eingesetzt:

  • Rot für Leben, Feuer, Liebe und Kraft
  • Blau für Luft, Treue und Himmel
  • Gelb für Sonne, Licht und Würde

Diese Symbolik finden wir in den Fenstern von St. Michael wieder.

Betonglasfenster

gibt es erst seit etwa 60 Jahren. Die 2-3cm dicken Glassplatten (Dalleglas) kommen aus Frankreich und werden mit schwerem Gerät gebrochen oder zerschlagen.

Die Glasstücke werden spiegelverkehrt ausgelegt und die Zwischenräume mit Beton ausgefüllt. Um die Statik zu sichern entstehen im Außenbereich dicke Wülste.

In St. Michael wurden einige Rohglas-Stücke nachträglich eingesetzt. Sie ragen nach beiden Seiten heraus und wirken wie Eisbrocken oder gelbe "Sonnen-Meteoriten".

Glasfenster in St. Michael

Auf St. Michaels Nordseite -zum Teil auch auf der Südseite- wird das Dach mit Betonpfeilern gestützt. Vom Eingang bis zum Altarbereich entstand durch Glasfenster eine leuchtende Wand. Der hannoversche Glasmaler Werner Brenneisen hat sie entworfen und eingesetzt.

Jedes Fensterfeld besteht aus 4-5 rechteckigen Einzelsegmenten. Die ersten fünf Felder im Eingangsbereich, das Feld vor der Christusdarstellung und das letzte Fenster am Altar sind rein dekorativ mit senkrecht und waagerechten Farbreihen gestaltet. Wie hängende Perlenketten strecken sie die Höhenwirkung der Fenster.

Die Glasstücke variieren wenig in Form und Größe, dadurch entsteht eine Einheitlichkeit bei der die Figuren nicht sofort auffallen. Durch die breiten Betonstege wurden sie grob "gepixelt". Aufmerksamkeit wird bei Gesichtern, Händen und Füßen durch die Kleinförmigkeit der Glasstücke hervorgerufen, dennoch ist es materialtechnisch nicht möglich, individuelle Züge hervorzuheben. Das sieht man beim Vergleich der drei Gesichter.

Der Engel

Wer in ihm den Erzengel Michael, den Namensgeber unserer Kirche, sehen möchte, muß sich mit der weit gespannten Geste der Arme zufrieden geben. Es fehlen seine typischen Attribute wie Schwert, Lanze oder Waage.

Die ausladende über drei Felder verlaufende Schräge bringt Bewegung in die Fenster und symbolisiert die Verbindung von oben nach unten und umgekehrt. Er schwebt ...

Auch die ungewöhnliche FlügelsteIlung unterstreicht diese Dynamik. Eine Flügelspitze weist nach rechts unten. Der zweite Flügel scheint mit der Spitze nach oben hinter dem Körper zu flattern. Die Flächigkeit bleibt immer erhalten, obwohl der Kopf mit dem Heiligenschein vor dem Flügel liegt.

Der Körper wirkt säulenartig, bis in die Fußspitzen gestreckt. Senkrechte rote und lichtgelbe Glasreihen durchziehen ihn. Himmelblaue und goldgelbe Flecken bilden seine Umgebung.

Unten rechts wird mit einem roten Winkel eine Verbindung zum Nebenfenster angedeutet.

Der Auferstehende

Weit nach oben gerückt schwebt er, die Arme fliegend ausgebreitet, segnend und noch in der Kreuzigungshaltung.

Der Augenblick der Auferstehung wird durch die schräg am Körper anliegenden Grabplatten angedeutet. Sie bilden den Gegenwinkel zu den Armen.

Er schwebt in der Mandorla, dem Symbol für die Überschneidung von Erd- und Himmelskreis

("Wahr Mensch und wahrer Gott ..." )

Der Ring um die Mandorla bildet mit seinen teils getrübten, "gebrochenen" Farben einen Grenzübergang. Die Hände durchdringen die Mandorla bis zur Fensterkante.

Neben ihm ist nachtblauer Himmel mit sieben! Sternen ... Leuchtendes Gelborange durchzieht Körper, Arme und Heiligenschein. Farblos oder graublau sind nur wenige Einsprengsel an Händen, Füßen, Unterkörper und Kopf.

Der kleine Mensch

Rätselhaft bleibt die Person in der Mitte der Fenster. Klein ist sie, nur halb so groß wie der Engel und Christus. So wurde im Mittelalter die Wichtigkeit der Dargestellten symbolisiert. Sie hat keinen Heiligenschein - eher eine Art Kappe, rot wie auch die Kleidung.

Es gibt keine Attribute die auf eine sakrale Zuordnung hindeuten könnten.

Der Körper ist bis in die Zehenspitzen angespannt. Die leichte Neigung nach rechts und die Schräghaltung des Kopfes wirken wie eine Hinwendung zu Christus, obwohl zwischen beiden noch eine rein dekorative Fensterfläche liegt und neben der Figur eine gelbe Glasreihe eine Art Lichtschranke bildet.

Die Haltung der Hände ist vieldeutig. Begriffe wie:

Zurückhaltung, Erstaunen, Ehrfurcht, Demut, Scheu und Reue könnte man hier nennen. Vielleicht soll seine linke Hand den Beutel mit den Silberlingen verdecken. Das gehört wie alles genannte ins Reich der Spekulationen.

Wahrscheinlich sind du und ich, wir alle, hier gemeint ...

E. Leuchtenberger